Sunday, August 24, 2014

Stigmatisierter Ebola-Überlebender in Sierra Leone


Stand: 24.08.2014 21:29 Uhr


Die Ebola-Seuche hat mehr als 1400 Menschen in Westafrika das Leben gekostet. Aber auch wer die Krankheit überlebt, hat keineswegs alle Sorgen hinter sich. Infizierte bleiben selbst nach der Heilung stigmatisiert – ein Beispiel aus Sierra Leone.


Von Jens Borchers, HR, zzt. ARD-Hörfunkstudio Rabat


Alhassan Nasiru Kemokais Geschichte beginnt mit einem Anruf von seiner jüngeren Schwester. Die Mutter sei krank, sagt sie. Kemokais Mutter arbeitet in einem Krankenhaus in Kenema, einer Stadt im Südosten von Sierra Leone. Der junge Mann fährt sofort zu ihr, er findet sie schwach vor, fiebrig. Er hebt sie aus dem Bett, erzählt er, sie beten zusammen.


Drei Tage später kommt seine Mutter ins Krankenhaus. Diagnose: Ebola-Infektion. Wiederum drei Tage später ist sie tot. “Ich dachte, ich muss jetzt sterben. Und meine jüngere Schwester und die beiden Brüder auch”, sagt Kemokai. “Ich hatte im Internet nachgeschaut, ich wusste was Ebola ist und fühlte mich gebrandmarkt.”


Kemokai geht nach Hause. Niemand hält ihn auf, obwohl doch eigentlich jeder sofort isoliert werden sollte, der mit Ebola-Kranken Kontakt hatte. Seiner Frau sagt er, dass er in den nächsten Tagen allein in einem Zimmer bleiben wird, um sich zu beobachten. Und er sagt, dass ihm niemand zu nahe kommen soll, wegen der Ansteckungsgefahr.


Im Krankenhaus hilft nur noch beten


Am zehnten Tag seiner Selbst-Isolation bekommt Kemokai Fieber, am elften Durchfall. Er geht ins Krankenhaus: “Sie sagten, ich soll in die Isolierstation, weil ich noch kein Testergebnis hatte. Vier Nächte blieb ich dort.” Dann kommt sein Testergebnis: Positiv, er hat sich mit Ebola infiziert. Wieder wechselt er die Station: Jetzt kommt er zu denen, deren Erkrankung feststeht. Und fühlt sich wie zum Tode verurteilt.


“Ich war aufgewühlt”, sagt Kemokai. “Ich habe gebetet und alle um mich herum, Christen oder Muslime, aufgefordert, auch für mich zu beten.” 13 Tage ist er im Krankenhaus der Stadt Kenema. Dann sagen ihm die Ärzte: “Es ist vorbei. Du bist geheilt.” Kemokai darf wieder raus aus der Isolation – rein in seine alte Welt.


Aber diese Welt ist nicht mehr wie vor seiner Infektion, vor der Isolation und der Heilung. Kemokai hat ein Zertifikat bekommen. Das ist der Nachweis, dass er gesund ist. Aber das Misstrauen im Stadtteil, in dem er wohnt, ist groß. Er geht mit dem Zertifikat zu den Ältesten des Viertels, er geht damit natürlich nach Hause, zu seiner Frau: “Ich war komplett isoliert. Sogar meine Frau hat kein Vertrauen in die Heilung. Wir leben immer noch in getrennten Räumen”, sagt Kemokai.


Kurz nach seiner Entlassung aus der Quarantäne-Station war Kemotai mit seinem Heilungszertifikat zu seinen Nachbarn gegangen. Er wollte ihnen Mut machen: “Schaut her, ihr könnt geheilt werden, wenn ihr das Fieber habt.” Nach zwei Tagen gab er das auf.


In Sierra Leone haben sich nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums mehr als 900 Menschen mit Ebola infiziert. Fast 400 starben. Alhassan Nasiru Kemokai hat überlebt. Er weiß nur nicht so recht, wie sein Leben weitergeht.




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