Audio: Oliver Soos | rbb | 22.08.2014
Transplantationsliste möglicherweise manipuliert - Verdacht auf versuchten Totschlag am Berliner Herzzentrum
Am Berliner Herzzentrum sollen Organtransplantationen manipuliert worden sein. Prüfer meldeten, dass Patienten möglicherweise durch besondere Diagnosen zu dringenderen Fällen für ein Spenderherz gemacht wurden. Gesundheitssenator Czaja forderte strikte Aufklärung – nur so sei das Renomee der Klinik und das Ansehen der Transplantationsmedizin zu retten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Berlins Gesundheitssenator Mario Czaja hat eine strikte und lückenlose Aufklärung des Organspendeskandals am Deutschen Herzzentrum Berlin gefordert. Das Vertrauen der Bürger in die Transplantationsmedizin sei bereits stark erschüttert und die Zahl der Organspender deutlich zurückgegangen, teilte der CDU-Politiker am Freitag mit. Jetzt könne nur “umfassende Transparenz” weiteren Ansehensverlust verhindern. “Gerade auch das Deutsche Herzzentrum Berlin hat sich durch große Leistungen ein hohes Renommee erworben, das nicht in Misskredit geraten darf.”
Das Deutsche Herzzentrum Berlin (DHZB) hatte am Donnerstag die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, weil Prüfer Unregelmäßigkeiten bei Transplantationen festgestellt hatten.
Hintergrund
Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Martin Steltner, sagte dem rbb, es gehe um den Verdacht, dass die Rangfolge auf Wartelisten für Herztransplantationen manipuliert wurde. Möglicherweise seien “einige Patienten in den letzten Jahren manipulativ auf der Prioritätenliste nach oben gepusht” worden. Dadurch seien wiederum andere Patienten nach hinten gerutscht und nicht operiert worden, sagte Steltner. “Das ist lebensbedrohend und deswegen haben wir ein Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts des versuchten Totschlags eingeleitet.”
Das Herzzentrum bestätigte dem rbb die Selbstanzeige vom Donnerstag und Ermittlungen, wollte aber keine Einzelheiten nennen.
Therapie für akute Fälle – aber ohne Grund?
Nach Angaben der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales informierte das Herzzentrum die Behörde in der vergangenen Woche darüber, dass es Auffälligkeiten bei Prüfungen gegeben habe. Gesundheitssenator Mario Czaja forderte daraufhin mehr Informationen an.
Demnach besteht der Verdacht, dass in den Jahren zwischen 2010 und 2012 Patienten, die auf ein Spenderherz warteten, ohne Grund spezielle Medikamente (Katecholamine) in besonders hohen Dosen bekommen haben. Diese Therapie wird normalerweise nur eingesetzt, wenn sich der Zustand von Patienten verschlechtert.
Mit diesem Vorgehen sollte möglicherweise der Eindruck erweckt werden, dass es sich um besondere dringende Fälle handele: “Die Dosissteigerung der Medikation sei unmittelbar vor der Antragsstellung auf ‘High Urgency’ [hohe Dringlichkeit] erfolgt, um damit den Status auf der Transplantationsliste bei der Organvergabestelle Eurotransplant zu verbessern”, heißt es in einer Mitteilung der Senatsverwaltung.
Eingangsbereich des Deutschen Herzzentrums Berlin
Prüfkommission nach Skandalen 2012 eingesetzt
Seit dem bundesweiten Organspendeskandal 2012 werden alle Transplantationszentren in Deutschland regelmäßig von einer unabhängigen Kommission aus Bundesärztekämmer, Krankenhausgesellschaft und Kassen geprüft. Bei einer kürzlichen Untersuchung des DHZB wurden laut Tagesspiegel erst neun, später weitere Verdachtsfälle gefunden. Dem Vernehmen nach soll es sich um 28 auffällige Vorgänge handeln.
Nach rbb-Informationen entdeckte die Prüfkommission die Verdachtsfälle bereits Mitte Mai. Die Bundesärztekammer soll seitdem von den schwerwiegenden Vorwürfen gewusst haben, wollte aber zuerst den Prüfbericht abwarten, der im September veröffentlichen will.
Landesärztekammerpräsident Günther Jonitz sagte dem rbb am Freitag, seines Wissens nach lägen genügend Anhaltspunkte dafür vor, dass möglicherweise Manipulationen vorgenommen wurden, um schwer herzkranke Patietenten auf der Warteliste nach oben zu bringen. Die Prüfung sei aber noch nicht abgeschlossen. Bei den Prüfern handele es sich um “hochanständige Fachleute”, die sich erst dann “relevant äußern” würden, wenn die Prüfung abgeschlossen ist.
Czajas Verwaltung teilte am Freitag mit, eine Beurteilung der Vorgänge könne erst vorgenommen werden, wenn der Prüfbericht der Kommission vorliegt. Die beschuldigte Ärztin ist nach rbb-Informationen noch beim DHZB beschäftigt, wurde jedoch vom Dienst freigestellt.
DHZB bekommt neuen Chef
Das DHZB gilt als eine der weltweit führenden Einrichtungen auf dem Gebiet der Herzchirurgie. Es wurde 1984 im damaligen West-Berlin gegründet und als feste Einrichtung 1986 eröffnet. 1987 wurde am DHZB einem Menschen das erste Totale Künstliche Herz eingesetzt. Operateur war Roland Hetzer, der das DHZB noch bis September leitet. Dann wird er durch Volkmar Falk abgelöst.
Seit 1986 gab es am Deutschen Herzzentrum in Berlin mehr als 1800 Transplantationen. Erst im Juni hatte die Klinik auf das Problem der dramatisch sinkenden Zahlen von Organtransplantationen in Deutschland verwiesen, für das sie als Grund auch den Manipulationsskandal “einiger weniger Kliniken” angeführt hatte.
Mit Informationen von Christoph Reinhardt, Ute Schumacher und Jan Menzel
Stand vom 22.08.2014
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Di 05.08.2014 | 22:15 | THADEUSZ
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Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Berliner Herzzentrum
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