Saturday, July 5, 2014

WM-Viertelfinale gegen Holland: Das Geheimnis von Costa Rica



Christoph Rocholl war sich schon vorher sicher, dass Costa Rica stark sein würde bei dieser WM. Der Fußballentwicklungshelfer des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), noch bis Jahresende Koordinator für die Jugend-Nationalmannschaften von Honduras, lebte zwischen 1986 und 1990 in Costa Rica. Dort baute er die Jugendarbeit auf und war Koordinator für alle Nationalteams. Noch immer hat er viele Kontakte nach Costa Rica, ist Patenonkel von Mittelfeldspieler Celso Borges und kennt den Trainerstab bestens.

“Costa Rica als solches hat mich nicht so sehr überrascht”, sagt der 65-Jährige, “die Mannschaft ist stark und hat auch eine gute Vorbereitung absolviert.” Mit dem Einzug ins Viertelfinale habe er natürlich nicht gerechnet, in der Vorrunde schätzte er Uruguay und Italien stärker ein.


Die Mannschaft setzte sich in der schweren Gruppe gegen Italien, Uruguay und England aber durch. Nach dem Achtelfinal-Erfolg gegen Griechenlandgehört Costa Rica nun zu den acht besten Teams der Welt und trifft am am Samstag im Viertelfinale auf die Niederlande (22 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE).


Die Entwicklung in Costa Rica geht seit der ersten WM-Teilnahme 1990 langsam, aber kontinuierlich bergauf. Damals wurde unter Trainerlegende Bora Milutinovic, dessen Vertrag Rocholl abschloss, das Achtelfinale erreicht. Das war bis zu dieser WM der größte Erfolg für das Land.


Kein Militär, dafür mehr Geld für die Bildung


Ein wesentlicher Grund dafür ist laut Rocholl, der ursprünglich zur Sportlehrerausbildung an die Universität von San José ging und erst nach zwei Jahren an den Fußballverband weiterdelegiert wurde, die Struktur im Jugendfußball und in der Jugendtrainer-Ausbildung. Diese baute er Ende der Achtziger mit auf: Die Erstligaklubs in Costa Rica mussten die Jugendarbeit intensivieren, viele junge Trainer werden seitdem ausgebildet und der Verband Fedefutbol betreibt die Talentsichtung landesweit. Zudem gibt es seit einigen Jahren ein Sportzentrum (“Proyecto Gol”) auf europäischem Niveau.


Eine andere wichtige Voraussetzung gibt es bereits seit 1949: Damals wurde das Militär abgeschafft, dadurch steht mehr Geld für Bildung und Infrastruktur zur Verfügung. Das kommt auch dem Fußball zugute. “Costa Rica ist den anderen zentralamerikanischen Ländern in der schulischen und universitären Ausbildung zehn bis 20 Jahre voraus”, sagt Rocholl: “Das wirkt sich im höheren Leistungssportbereich aus. In schwierigen Spielsituationen kann die Persönlichkeitsausprägung entscheidend sein.” So liegen laut des DFB-Entwicklungshelfers Welten zwischen Costa Rica und Honduras, das bei der WM in der Vorrunde punktlos ausschied.


Die fußballerische Ausbildung scheint zu stimmen: Die U20-Auswahl wurde bei der WM 2009 Vierter, in Brasilien ist Costa Rica zum vierten Mal bei einer WM, und viele Stammspieler der Nationalmannschaft sind Leistungsträger bei Vereinen in Europa.


Wenn Costa Rica spielt, geht nichts mehr


Nur vom 3-5-2-System des Teams bei der WM sei er etwas überrascht gewesen, gibt Rocholl zu. Eigentlich werde in Costa Rica nach kolumbianischer Schule gespielt, also im 4-4-2. Und auch Trainer Jorge Luis Pinto ist Kolumbianer. “Er hat sich aber mehr an den Charakteristika der Spieler orientiert”, sagt Rocholl, der Pinto gut kennt. Womöglich hat Co-Trainer Luis Marín, ein guter Freund Rocholls, in den vergangenen Jahren bei internationalen DFB-Lehrgängen in Hennef entscheidende Impulse bekommen, vermutet der Fußballentwicklungshelfer.


In der vergangenen Woche war Rocholl für drei Tage in Costa Rica. “Unglaublich”, antwortet der 65-Jährige nur, wenn man ihn nach der Stimmung in dem Land fragt. “Zum ersten Mal gibt es so etwas wie Public Viewing.” Das öffentliche Leben sei bei den Spielen weitgehend lahmgelegt: “Es ging nichts mehr.”


Das Land ist ohnehin fußballverrückt. Der Viertelfinaleinzug bei der WM wird dem Fußball in Costa Rica dennoch einen zusätzlichen Schub geben, glaubt Rocholl. Und bei einem Land mit nur 4,5 Millionen Einwohnern sei das immer willkommen.


Dass gegen die Niederlande ein weiterer Sieg gelingt, glaubt der DFB-Auslandsexperte allerdings nicht: “Die Mannschaft ist gut, die Euphorie da, aber Holland ist zu stark.” Vielleicht kann Costa Rica Christoph Rogoll ja doch einmal überraschen.




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