Thursday, July 3, 2014

NSA-Veteran erhebt schwere Vorwürfe gegen Geheimdienst


Thomas Drake, Zeuge des NSA-Ausschusses, auf dem Weg zu seiner Anhörung. (Bildquelle: AFP)


Stand: 04.07.2014 04:21 Uhr


Ein früherer NSA-Mitarbeiter, der “schmutziges Wissen” ankündigt – kein Wunder, dass der Auftritt von Thomas Drake in Berlin mit Spannung erwartet wurde. Doch es kam anders. Der Zeuge hatte zwar Parolen mitgebracht. Aber nichts Pikantes.


Von Jochen Zierhut, WDR, ARD-Hauptstadtstudio Berlin


Spät in der Nacht, nach zwölfstündiger Zeugenvernehmung, überkam die Ausschussmitglieder dann doch die Müdigkeit. Und eine gewisse Ernüchterung. Was nicht nur mit der Uhrzeit, sondern vor allem mit dem zweiten Zeugen zu tun hatte: Thomas Drake.


Am Nachmittag hatte der ehemalige Technikchef des US-Geheimdienste NSA, William Binney, viele Abgeordneten geradezu elektrisiert. Noch mehr erwartete man sich nun von Drake, auch er ein früherer NSA-Mitarbeiter, bekannt geworden als Whistleblower. “Schmutziges Wissen” werde er preisgeben, hatte Drake in Interviews angekündigt. Dann aber verlas er zwei Stunden lang einen zwar bedenkenswerten, aber vor allem weitschweifigen Appell gegen die Zerstörung der Demokratie durch die Massenüberwachung.


Die erschöpften und durchaus auch genervten Abgeordneten wurden nur kurzzeitig munter, als Drake den BND als einen “Wurmfortsatz der NSA” bezeichnete. Konkrete Belege für eine Zusammenarbeit zwischen dem deutschen und dem amerikanischen Geheimdienst aber blieb Drake schuldig, genauso wie bei seiner Behauptung, der BND habe den Drohnenkrieg der USA unterstützt.


Die NSA sei “totalitär”, sagt ihr früherer Direktor


Erhellender war da in jedem Fall der Auftritt Binneys, der ein düsteres Bild vom Anfang der massenhaften NSA-Spitzeleien und Rechtsbrüche Ende 2001 zeichnete. “Sie wollen Informationen über alles“, sagte der 70-jährige frühere NSA-Direktor über seinen Ex-Arbeitgeber. Der US-Geheimdienst verfolge einen “totalitären Ansatz”. So wie man es bislang nur aus Diktaturen kenne.


Binney sagte das scheinbar nüchtern – doch seine Empörung wurde greifbar, als er das Wort “totalitär” wieder und wieder benutzte, um seine These zu bekräftigen. Tonaufnahmen waren im Untersuchungsausschuss zwar verboten, aber Binney hatte schon vorher in der ARD bestätigt, was die NSA bislang immer abgestritten hat: Es werden nicht nur allgemeine Verbindungsdaten ausgespäht, sondern konkrete Inhalte von Telefongesprächen und E-Mails.


“Wenn Sie zehn Milliarden Dollar in eine Geheimdienstbehörde investieren”, so Binney, “dann ist das genug Geld, um ein ganzes Imperium zu gründen, das Daten sammelt. Genau das ist passiert.”


Binney stieg im Oktober 2001 aus, weil die NSA nach den Anschlägen vom 11. September mit der massenhaften Datenausspähung begann.  Es habe damals auch eine intensive Zusammenarbeit mit dem BND gegeben, die Deutschen hätten teilweise Zugang zu Ausspähtechniken gehabt, gab er zu Protokoll. Diese Informationen sind zwar nicht ganz neu – aber die konkreten Schilderungen über die Dimension der Schnüffeleien und über die Anfänge des Strebens nach totaler Überwachung machten Binney doch zu einem wichtigen Zeugen für den Ausschuss.


Sebastian Hahn – ein Erlanger Student im Fadenkreuz der NSA


Berichte von NDR und WDR über die Bespitzelung des Erlanger Informatikstudenten Sebastian Hahn durch die NSA hatten die Ausschussmitglieder zuvor empört. Hahn geriet demnach ins Visier der Amerikaner, weil er einen Internetserver betreibt, über den Internetnutzer ihre Aktivitäten im Netz verwischen können – etwa um sich in autoritären Staaten vor Verfolgung zu schützen.


SPD-Obmann Christian Flisek sagt dazu: “Für mich wird damit klar, dass wir hier nicht über Spionage reden, sondern über ein Phänomen der globalen Massenüberwachung. Es ist nun mal leider so, dass so etwas immer dann eine besondere Prägnanz erfährt, wenn man damit Gesichter verbinden kann. Ich bin froh, dass das Gesicht in Deutschland nicht nur die Bundeskanzlerin ist, sondern dass wir auch einen ‚normalen Menschen‘ haben, der offensichtlich ins Visier der NSA geraten ist.”


Flisek forderte Bundesgeneralanwalt Harald Range auf, möglichst schnell Ermittlungen wegen massenhafter Datenüberwachung einzuleiten.




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