Nach dem Grubenunglück in Soma
Polizei schlägt Protest nieder
Drei Tage nach der Bergwerkskatastrophe in der Türkei ist die Polizei in Soma mit Wasserwerfern und Tränengas gegen Tausende Demonstranten vorgegangen. Die Sicherheitskräfte hätten auch Gummigeschosse auf die Protestierer gefeuert, die einen Rücktritt der Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan forderten, berichteten Augenzeugen. Unterdessen stieg die Zahl der toten Bergleute auf 284. Energieminister Taner Yildiz sagte, in den Stollen der westtürkischen Stadt würden noch 18 Männer vermisst.
Wut wächst weiter
Die Wut in der Türkei nach dem Grubenunglück ist groß und wächst noch weiter. Ministerpräsident Erdogan wird vorgeworfen, bei einem Besuch in Soma mit Demonstranten aneinander geraten zu sein, sie beleidigt zu haben und dabei sogar einen jungen Mann geohrfeigt zu haben. Türkische Oppositionspolitiker und Internetaktivisten empörten sich. Die Szene soll auf einem Video festgehalten sein – allerdings ist die Sequenz verwackelt, so dass Erdogans Verhalten nur undeutlich zu erkennen ist. Zuvor waren bereits Bilder öffentlich geworden, auf denen ein enger Berater des türkischen Regierungschefs auf einen am Boden liegenden Demonstranten eintritt.
Unfallursache wird weiter untersucht
Die Regierung wird kritisiert, weil sie schärfere Sicherheitskontrollen verhindert haben soll. Nach dem größten Bergwerksunglück in der Geschichte der Türkei soll ein Großaufgebot von Staatsanwälten nach Schuldigen suchen. Der Hohe Rat der Richter und Staatsanwälte (HSYK) setzte als oberstes Aufsichtsgremium 28 Ankläger auf den Fall an. Die Betreibergesellschaft Soma Holding wies erneut Vorwürfe zurück, es habe Unregelmäßigkeiten gegeben. Die Unfallursache werde noch untersucht. Es habe sich aber gezeigt, dass die Explosion – anders als zunächst vermutet – nicht von einem defekten Trafo ausgelöst worden sei.
AKP beantragt Untersuchungsausschuss
Die türkische Regierungspartei AKP beantragte unterdessen einen Untersuchungsausschuss des Parlamentes. Hüseyin Celik, ranghohes Parteimitglied, bekräftigte aber auch, dass sich die Regierung aus Sicht der AKP nichts zuschulde habe kommen lassen: “Wir haben kein Inspektions- und Aufsichtsproblem”. Zudem verteidigte er die behördliche Aufsicht über das Bergwerk. Die Mine sei seit 2009 elf Mal streng inspiziert worden.
Kritik an Erdogan-Auftritt in Köln
Inmitten dieser aufgeheizten Stimmung steht ein Besuch des Ministerpräsidenten in Deutschland an: Am Samstag kommender Woche will Erdogan auf Einladung der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) vor Tausenden Anhängern in Köln sprechen. Grünen-Chef Cem Özdemir kritisierte das Verhalten von Erdogan nach dem Unglück. Erdogan verliere immer mehr den Bezug zur Realität, urteilte Özdemir. “Mit seinem Verhalten zur Grubenkatastrophe von Soma verwandelt er die tiefe Trauer vieler Türken in Wut.” Özdemir mahnte den türkischen Premier vorsorglich zur Mäßigung: “Erdogan kann hier nicht einfach Wahlkampf machen”, sagte der Grünen-Politiker.
Stand: 16.05.2014 20:00 Uhr
tagesschau.de – Die Nachrichten der ARD
Grubenunglück in Soma: Polizei schlägt Protest nieder
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