Separatisten werben für Referendum in Ostukraine
Leben in einem friedlichen Land
Nach der Weigerung der Separatisten, das Referendum in der Ostukraine abzusagen, laufen die Vorbereitungen auf vollen Touren. In Werbespots versprechen die Befürworter einer Loslösung von Kiew der Bevölkerung ein besseres Leben.
Von Henryk Jarczyk, ARD-Hörfunkstudio Warschau, zurzeit Donezk
Ein Werbespot der Separatisten. “Sehr geehrte Einwohner der Region Donbass”, sagt die Stimme aus dem Off, “die Gleichberechtigung und das Recht zur Souveränität der Nationen wurden in der UN-Charta festgelegt. Auch wir haben das Recht zur Selbstbestimmung. Es ist Zeit gekommen, dieses Recht umzusetzen. Am 11 Mai wird das Referendum stattfinden über den Status der Volksrepublik Donezk.”
Seit Tagen wird der Bevölkerung in der Donbass-Region auf entsprechenden Kanälen eingetrichtert, wie vorteilhaft die Loslösung von Kiew für die Ostukraine sein kann. In einem anderen Spot heißt es: “Wenn Sie bei dem Referendum mit Ja antworten, werden sie in einem friedlichen, multinationalen Staat leben können. In einem Staat, der sich nicht auf faschistische Grundsätze stützt. Sie werden in einem Staat leben, der mit unseren brüderlichen Nationen: Russland, Weißrussland und Kasachstan, in einer Gemeinschaft kooperiert. Unser Land werden keine fremden Armeen betreten. Hier werden keine NATO-Truppen oder ihre Verbündeten stehen. Wir lebten und werden im Frieden und Freundschaft leben.”
Die massive Propaganda kommt bei jenen, die während der letzten 23 Jahre im Osten der Ukraine vom Transformationsprozess kaum profitierten, gut an. “Wir werden das Referendum abhalten. Die Bergleute sind stark. Wir werden dafür wie ein Mann eintreten”, sagt eine Passantin. Und ein Mann betont: “Wir sind friedliche Menschen. Wir wollen keinen Krieg.” Eine andere Frau klagt, 40 Jahre lang habe sie in der Fabrik gearbeitet , “und jetzt lassen sie mich in die Knie gehen. Ich bin Russin, und darf Russisch nicht sprechen? Wie kann das sein?”
Eine Anspielung auf die unmittelbar nach dem Machtwechsel in Kiew getroffene Entscheidung, Russisch als zweite Amtssprache abzuschaffen. Dass der Vorschlag kaum im Parlament eingebracht, vom Übergangs-Präsidenten Alexander Turtschinow abgeschmettert wurde und längst vom Tisch ist, scheint im Osten des Landes irgendwie nicht angekommen zu sein. Auch das verdanken die Separatisten ihrer grandiosen Propagandamaschinerie.
Dennoch viele – vor allem junge Menschen, bleiben skeptisch. So betont eine Frau, sie könne sich nicht vorstellen, wie es hier weitergehen solle, wenn eine Teilung in Ost und West vollzogen werde. Eine andere Frau sagt, das Herz tue ihr weh, “weil ich auf nichts stolz sein kann und das Leben verlangt, dass man eine bessere Zukunft im Ausland sucht. Aber ich möchte in der Ukraine bleiben. Und ich möchte in einer vereinten Ukraine leben.”
Wünsche, die angesichts der jüngsten Entscheidung, das Referendum doch abzuhalten, immer unrealistischer erscheinen. Doch bevor es zur Volksabstimmung kommt, wird heute des Sieges über das Nazi-Deutschland gedacht. Feierlichkeiten, die, so fürchten viele, von den Separatisten missbraucht werden könnten, um die Lage weiter zu destabilisieren.
Ein Passant in Donezk ist jedenfalls überzeugt, dass derzeitige Machtvakuum werde “von äußeren Kräften ausgenutzt, die Separatisten unterstützen. Bewaffnete Menschen, die die Politik eines Nachbarstaates realisieren.”
Die russische Machtdemonstration während der Paraden am 9 Mai, sagen Gegner der Separatisten in Donezk, sei da eine gute Gelegenheit, um jenen, die nach einer Loslösung von Kiew streben, zu zeigen, wer sie dabei unterstützen wird. Vielleicht machen sie mittlerweile aber die Rechnung ohne den Wirt in Moskau. Der die Zeche eigentlich zahlen sollte.
Stand: 09.05.2014 05:24 Uhr
tagesschau.de – Die Nachrichten der ARD
Stimmung in Ostukraine vor Referendum und dem Tag des Sieges
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