Der Tian’anmen-Platz in Peking ist einer der bedeutendsten Orte in der Geschichte Chinas. Hier befindet sich mit dem “Tor des himmlischen Friedens” der Eingang zur “Verbotenen Stadt”, die bis 1911 Residenz des chinesischen Kaisers war.
Der Tian’anmen-Platz in Peking ist einer der bedeutendsten Orte in der Geschichte Chinas. Hier befindet sich mit dem “Tor des himmlischen Friedens” der Eingang zur “Verbotenen Stadt”, die bis 1911 Residenz des chinesischen Kaisers war.
Hier rief Mao Zedong, der bis heute in einem Mausoleum auf dem Platz aufgebahrt liegt, 1949 die neue Volksrepublik China aus.
Das riesige Areal, das bis zu eine Million Menschen fassen können soll, dient sowohl Touristen als auch Einheimischen als Anziehungspunkt.
Auf dem Platz in der Mitte von Chinas Hauptstadt Peking feiert sich das Reich der Mitte mit gigantischen Militärparaden regelmäßig selbst – wie hier im Jahr 1977. Und hier geschah in der Nacht vom 3. auf den 4. Juni 1989 etwas, das in der offiziellen Geschichtsschreibung des Landes keinen Platz hat.
Im Zuge der “Reform- und Öffnungspolitik” kommt es in China in den 1980er-Jahren zu einem wirtschaftlichen Aufschwung, der das zuvor weitgehend abgeschottete kommunistische Land auch für Einflüsse aus dem Westen öffnet. Mickey Mouse und Donald Duck halten neben Forderungen nach mehr individueller Freiheit und Mitbestimmung Einzug in den Milliardenstaat.
Immer wieder kommt es im Laufe des Jahrzehnts zu Protesten gegen den alleinigen Herrschaftsanspruch der Kommunistischen Partei (KP). Die lässt zwar nach und nach Symbole des Kapitalismus ins Land, …
… gibt sich ansonsten jedoch rigide und reagiert mit Nachrichtensperren, Demonstrationsverboten und der Verfolgung von Dissidenten.
Im Laufe des Jahres 1989 mehren sich die Zerfallserscheinungen in den sozialistischen Staaten Mittel- und Osteuropas. Zwei Jahre bevor der frischgewählte US-Präsident George Bush im Februar des Jahres seinen Antrittsbesuch in Peking absolviert, fordert sein Vorgänger Ronald Reagan Russlands Präsident Gorbatschow auf, die Berliner Mauer einzureißen.
Im April 89 verstirbt der als demokratischer Reformer geltende Hu Yaobang, hier rechts im Bild neben Deng Xiaoping, dem wirtschaftlichen Erneuerer der Volksrepublik. Die öffentlichen Trauerfeiern nutzen viele Menschen als Gelegenheit, das Demonstrationsverbot zu umgehen und ihrer Unzufriedenheit Ausdruck zu verleihen.
Bei den Kundgebungen verschaffen sich zudem auch Verlierer der Wirtschaftsreformen Gehör, die neben deutlichen Preissteigerungen für Lebensmittel für viele Menschen auch den Wegfall eines sicheren Arbeitsplatzes bedeuten. Sie fordern eine Rückbesinnung auf das Wohl des Volkes im Sinne Maos.
Im Mai beginnen die Proteste sich landesweit auszubreiten. Als zentraler Anlaufpunkt der Demokratiebewegung kristallisiert sich der Platz des himmlischen Friedens in der Hauptstadt heraus.
Aus ganz China strömen Menschen herbei, um den bereits seit einigen Wochen in den Hungerstreik getretenen Studenten in Peking beizustehen. Die Protestierenden wollen den Dialog mit der Staatsführung erzwingen.
Auch einige Staatsdiener zeigen sich solidarisch mit den Forderungen der Studenten. So bekunden diese Polizisten in Peking ihre Zustimmung zu den Reformbestrebungen der Streikenden.
Zum Leidwesen der Partei findet in diesen Tagen auch noch ein Staatsbesuch Michail Gorbatschows in China statt. Die Anwesenheit des Urhebers von “Glasnost” und “Perestroika” sorgt neben sowjetischen Fahnen auf dem Tian’anmen-Platz auch für weiteren Auftrieb unter den Protestierenden.
Die Studenten tragen ihre Ziele auch den zur Bewachung des Protestes abgestellten Soldaten vor.
Auch in der Hafenmetropole Schanghai finden immer mehr Protestbereite zusammen. Mit einer Miniatur-Freiheitsstatue demonstrieren sie ihre Forderung nach mehr politischer Öffnung für westliche Prinzipien.
Zentrum der Bewegung bleibt aber der Tian’anmen-Platz. Wegen des Gorbatschow-Besuchs befinden sich zu der Zeit zudem ungewöhnlich viele ausländische Reporter in Chinas Hauptstadt, die die Ereignisse in die Welt tragen.
Der Platz gleicht mit den vom damals noch britischen Hongkong gesponsorten Zelten bald schon einer Stadt in der Stadt.
Auf dem Gelände herrscht mit zunehmender Dauer und wachsender Zahl von Demonstranten eine gelöste Aufbruchstimmung.
Über Wochen schon harren die Studenten und ihre Unterstützer auf dem Tian’anmen-Platz aus. Ob beim Kartenspiel …
… oder bei der Körperpflege – sie wollen nicht vom Fleck weichen, bis die Regierung auf sie zugeht. Doch die …
… bleibt eisern bei ihrer Haltung.
Schon über einen Monat hält die Demokratiebewegung den Platz besetzt. Die hygienischen Verhältnisse werden dabei täglich schwieriger.
Die strikte Zurückweisung ihrer Anliegen durch die Partei heizt die Stimmung der Protestierenden weiter an.
Ihre Forderung nach mehr demokratischer Mitbestimmung äußern die Demonstranten immer entschlossener. Und auch …
… der große Vorsitzende Mao bleibt von der sich weiter aufheizenden Stimmung nicht verschont.
Zhao Zyiang, der beim Volk beliebte Generalsekretär der KP, versucht am 19. Mai, die Studenten vor Ort von ihrem Hungerstreik abzubringen. Diese wollen sich jedoch in ihren Forderungen nicht einschränken lassen.
Nach dem misslungenen Schlichtungsversuch ruft die Regierung das Kriegsrecht aus. Zudem soll der Bewegung durch organisierte Gegendemonstrationen das Wasser abgegraben werden. Doch die Masse der Unzufriedenen ist für derlei Gegenmaßnahmen schon zu groß.
Mitten auf dem Platz errichten die Studenten eine fast zehn Meter hohe Styropor-Statue, die den Namen “Göttin der Demokratie” trägt. Vorbild ist einmal mehr die Freiheitsstatue in New York.
Natürlich teilen nicht alle Bürger die Ansichten der Protestbewegung. Diese Seniorin sagt den Studenten ihre Meinung über die von ihnen geforderte Demokratisierung des Landes. Bei allem Eifer …
… bleibt die Stimmung jedoch weiter friedlich. Noch am 1. Juni gleicht das mittlerweile gut befestigte Lager weniger einem Hort der Staatsfeinde …
… als einem politisch motivierten Volksfest. Touristen machen Schnappschüsse von der “Göttin der Demokratie”.
Allein, mit ihren Forderungen macht die Bewegung keine Fortschritte. Rund sechs Wochen hält der Protest mittlerweile an, …
… doch die staatlichen Medien tun die Studenten und ihre Unterstützer weiter als “konterrevolutionäre Aufrührer” ab. Aus Wut über kritische Zeitungsartikel verbrennen Demonstranten am 2. Juni Ausgaben der “Beijing Ribao” vor dem Redaktionsgebäude.
Die Handgreiflichkeiten zwischen den beiden Lagern nehmen zu. Mal versuchen Soldaten, eine Demonstrantin wegzuziehen, …
… mal gehen Demonstranten auf Soldaten los, um deren Vorrücken auf den Platz zu erschweren.
Allmählich beginnt die Stimmung zu kippen. Mit Hubschraubern erhöht die Armee ihre Präsenz an dem überfüllten Stadtzentrum.
Doch die Studenten geben sich weiter kämpferisch. Zu lange dauert ihr Streik schon an, als dass sie nun unverrichteter Dinge wieder das Feld räumen könnten.
Als sich die Gerüchte über einen bevorstehenden Einsatz des Militärs mehren, errichten die Demonstranten Barrikaden aus Bussen in der Stadt.
Einige bewaffnen sich in der Erwartung, dass die Regierung den Streik doch gewaltsam niederzuschlagen gedenkt.
Mit der voranschreitenden Nacht spitzen sich die Ereignisse zu. Die Demonstranten setzen mehrere Soldaten fest, als diese auf das Gelände einmarschieren. Eine Studentin verliest den Forderungskatalog der Bewegung.
Die Protestierenden versuchen, den Vormarsch der Panzer zu stoppen, indem sie ihre Körper als Barrieren nutzen.
Schließlich eskaliert die Lage. Das ungebremste Vorrücken der Panzer macht klar: Eine friedliche Beilegung des Konflikts ist nicht mehr gewünscht. Nicht auf dem Platz selbst, wohl aber in den Straßen um den Platz kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen.
Im Tumult der Nacht gelingt es den zahlenmäßig immer noch weit überlegenen Demonstranten sogar, Armeefahrzeuge in ihre Gewalt zu bringen.
Doch hunderte Menschen verlieren bei den Kämpfen ihr Leben. Darunter vor allem Demonstranten, …
… aber auch Armeeangehörige, die von der wütenden Menge umgebracht werden. Dieser Soldat war zuvor mit seinem Fahrzeug in eine Menschenmenge gerast und hatte dabei etliche Menschen getötet. Auch er überlebt die Nacht nicht.
Am Morgen zeichnet sich das Ausmaß der nächtlichen Kämpfe ab. Zahllose Tote liegen im Zentrum Pekings auf den Straßen. Die genauen Opferzahlen sind unbekannt; Schätzungen gehen von 2000 bis 3000 Getöteten aus.
Die Situation am Tage ist chaotisch. Verletzte und Tote liegen beieinander; die verbliebenen Demonstranten versuchen Hilfe zu leisten.
Mit Fahrrädern und Rikschas werden die Opfer abtransportiert.
Die Regierung will nun vollends die Kontrolle über das Pekinger Stadtzentrum zurückgewinnen und schickt weitere Panzer in Richtung Tian’anmen-Platz. Das Bild vom “Tank Man”, der sich den anrollenden Panzern auf Pekings Cangan-Boulevard entgegenstellt, soll außerhalb Chinas später zur Ikone werden. Kurz darauf wird der Mann von umerstehenden Personen weggeschafft. Die Panzer rollen weiter.
Doch das harte Vorgehen der Armee zeigt Wirkung. Die meisten Demonstranten fliehen vor der Staatsgewalt. (Der “Tank Man” aus einer anderen Perspektive.)
Nach außen bemüht sich China, die Ereignisse herunterzuspielen. Von 200 Toten ist offiziell die Rede, die das “entschlossene Eingreifen für die Stabilität des Landes” mit sich brachte. Demonstranten zeigen einer Busladung Touristen eine der Leichen.
Völlig vertuschen lassen sich die Ereignisse vom 4. Juni jedoch nicht. Fotos der Getöteten geraten in Umlauf. Im westlichen Ausland erleidet die chinesische Regierung einen erheblichen Ansehensverlust.
So wie hier durch das Verbrennen einer Flagge in Los Angeles bekunden viele Auslandschinesen ihre Verurteilung des Vorgehens der KP.
Innenpolitisch jedoch hat die Regierung ihr Ziel erreicht. Der Platz des himmlischen Friedens ist geräumt und wird vom Militär in Beschlag genommen.
Tagelang sperren Panzer der Volksarmee Pekings Zentrum ab. Die Keimzelle des landesweiten Protestes soll restlos gesäubert werden.
Mit massiver Militärpräsenz will die Regierung die Stimmung in der Stadt wieder unter Kontrolle bekommen.
Spuren der Kämpfe sind im Zentrum jedoch noch vielerorts zu sehen.
Mit großer Eile soll deshalb aufgeräumt und zur Normalität zurückgekehrt werden.
Der Tian’anmen-Platz bleibt weiterhin Sperrgebiet.
Allmählich legt sich die Stimmung in Peking wieder. Auch die westliche Kultur ist weiter auf dem Vormarsch, solange sie unpolitisch bleibt.
So wie hier auf einer Brücke lässt die Regierung etliche Gedenkstätten für die bei der Räumung des Platzes getöteten Soldaten errichten. Den toten Zivilisten wird als Staatsfeinden selbstverständlich keine Ehrung zuteil.
Der Tian’anmen-Platz am 1. Juni 1990. Ein Jahr nach den Protesten hat die Regierung alle Erinnerung an die “konterrevolutionären Aufrührer” getilgt.
Die überlebenden Protagonisten der Protestbewegung werden als “Rebellen” verfolgt. Entweder werden sie rasch inhaftiert oder können, wie hier der Aktivist Shen Tong in den USA, ins Ausland flüchten.
So sehr die Regierung in China versucht, die Erinnerung an die Vorfälle zu unterdrücken, so sehr halten Menschen im Ausland daran fest. Hier bekunden 1996 in Frankreich rund 2000 Menschen ihre Solidarität mit der chinesischen Demokratiebewegung.
In der weitgehend autonomen Sonderverwaltungszone Hongkong halten die Menschen das Gedenken an das Geschehene ebenfalls aufrecht. Am 4. Juni 2013 finden sich laut Veranstalter rund 180.000 Menschen zu einer Andacht für die Opfer ein.
25 Jahre nach der blutigen Niederschlagung des Protestes sind es vor allem die Mütter der getöteten Studenten, die in China weiter an die Ereignisse erinnern wollen. Die KP geht auch gegen sie vor. Zhang Xianling, eine Wortführerin der “Mütter von Tian’anmen”, steht wegen “Erregung öffentlicher Unruhe” seit dem 6. Mai 2014 unter Hausarrest.
Der Tian’anmen-Platz dient heute wieder uneingeschränkt als Forum für die seither zu ungekannter Stärke gelangte chinesischen Regierung. Der 4. Juni 1989 hat nach Version der KP Chinas nie stattgefunden.
25. Jahrestag des Tian'anmen-Massakers: Die Bilder, die in China niemand sehen darf
No comments:
Post a Comment