Friday, September 12, 2014

Schuldig der fahrlässigen Tötung: Oscar Pistorius - Der gefallene Superstar

Er wurde gefeiert als “the fastest man on no legs”, als schnellster beinamputierter Sprinter der Welt: Ausnahmeathlet Oscar Pistorius.



Er wurde gefeiert als “the fastest man on no legs”, als schnellster beinamputierter Sprinter der Welt: Ausnahmeathlet Oscar Pistorius.


Am 4. August 2012 erlebte er in London den größten Moment seiner Karriere. Als erster Läufer mit speziellen Beinprothesen startete er bei den Olympischen Spielen.


Als Wegbereiter einer neuen Epoche der Sportgeschichte galt er damit – und sorgte für kontroverse und emotionale Diskussionen.


Jahrelang hatte Pistorius darum gekämpft. Denn obwohl er die erforderlichen Normen erreichte, wurde ihm der Start immer wieder untersagt. Seine Teilnahme im Feld der Nichtbehinderten verstoße gegen die Chancengleichheit, so die Begründung. Die der Nichtbehinderten, wohlgemerkt.


Pistorius kam am 22. November 1986 durch einen Gendefekt ohne Wadenbeine und äußere Fußseiten auf die Welt. Im Alter von elf Monaten wurden ihm die Beine unterhalb des Knies amputiert.


Schon früh bekam Oscar Pistorius seine ersten Prothesen und entwickelte sich in seiner Schulzeit zu einem eifrigen Sportler, wie es auf seiner Homepage heißt. “Er war schon immer sehr entschlossen, wie ein Bullterrier”, sagte einst sein stolzer Vater über ihn.


Ungefähr im Alter von 16 Jahren wechselte er zum Laufsport, nachdem er vorher seine Zeit vor allem mit Rugby, Wasserball und Tennis verbracht hatte.


Um seine Behinderung habe seine Familie nie viel Aufhebens gemacht, sagte Pistorius der britischen Zeitung “Independent” 2011: “Meine Mutter sagte zu meinem Bruder ‘Zieh deine Schuhe an’ und ‘Oscar, zieh deine Beine an und wir treffen uns am Auto’”.


Sich selbst bezeichnet Pistorius, der seit 2007 Betriebswirtschaftslehre studiert, nicht als behindert, sondern als “ohne Beine”.


Auf seinem Rücken hat er einen Bibel-Spruch tätowiert, der mit den Worten beginnt: “I do not run like a man running aimlessly.” (Ich laufe nicht wie einer, der ziellos läuft.)


Ein zweites sichtbares Tattoo auf seinem rechten Arm zeigt das Geburts- und Todesdatum seiner Mutter. Als er 6 Jahre alt war, hatten sich seine Eltern scheiden lassen, als er 15 war, starb seine geliebte Mutter.


2012 erhielt der Südafrikaner den Laureus World Sports Award. Dieser zeichnet herausragende Leistungen aus.


Das Männermagazin GQ kürte ihn zum “bestangezogenen Mann 2011″. Dem Mann mit dem Gesicht eines Models war es immer wichtig, wie ein Nichtbehinderter behandelt zu werden.


Nicht umsonst lautet sein Credo: “Du bist nicht unfähig durch deine Unzulänglichkeiten, sondern du bist befähigt durch deine Fähigkeiten.” So steht es auf seiner Webseite und dies ist es, was er anderen Menschen ins Stammbuch schreibt – Behinderten und Nichtbehinderten.


Einem vierjährigen beinamputierten Jungen empfahl Pistorius, “zu glauben, völlig normal zu sein und nie den Humor zu verlieren”.


Im Dezember 2012 trat er in Doha über 200 Meter gegen ein Pferd an – und lief als Erster über die Ziellinie.


Zu dieser Zeit ist er auf dem Zenit seines Ruhmes, er fährt gerne Motorrad, spielt Golf, hält Zuchtpferde und kassiert rund 2 Millionen Dollar Sponsorengelder pro Jahr.


Auf die steile Karriere folgt der tiefe Fall.


Am 14. Februar 2013 feuert Pistorius in seinem Haus in Pretoria vier Kugeln durch die geschlossene Badezimmertür und tötet die 29-jährige Reeva Steenkamp, ein südafrikanisches Model.


Das Model und der Läufer waren seit Herbst 2012 liiert.


Er beteuert, er habe sie für einen Einbrecher gehalten.


Am 22. Februar kommt er überraschend auf Kaution frei. Der Vorwurf wird laut, das Sportidol werde bevorzugt behandelt.


Seine Werbepartner Nike und Clarins verzichten seither auf eine Zusammenarbeit.


Auch seine sportliche Karriere liegt seitdem auf Eis.


Am 3. März 2014 begann in Pretoria der Prozess gegen ihn. Pistorius beteuerte erneut seine Unschuld.


Dabei ging es vor Gericht nicht um die Tatsache an sich, dass der 27 Jahre alte Pistorius seine Freundin Reeva Steenkamp erschoss, sondern um die Frage, ob er die tödlichen Schüsse durch die Badezimmertür seines Hauses absichtlich abgefeuerte.


Inzwischen lebte Pistorius im Haus seines Onkels.


Der Angeklagte beteuerte immer wieder, er habe hinter der Tür einen Einbrecher vermutet und sich und Steenkamp schützen wollen.


Vom einst strahlenden “Blade Runner” Oscar Pistorius in Siegerpose ist an den Verhandlungstagen kaum etwas geblieben.


Pistorius saß als gebrochener Mann im Gerichtssaal.


41 Tage lang wurden Zeugen befragt und Gutachten vorgetragen.


Staatsanwalt Gerrie Nel ließ keinen Zweifel daran, dass er überzeugt ist, dass Pistorius Steenkamp am Abend des Valentinstages 2013 mit Absicht getötet hat.


Pistorius sprach hingegen von einer schrecklichen Verwechslung.


Er habe seine Freundin für einen Einbrecher gehalten und in Panik erschossen.


Beobachter berichteten aus dem Gerichtssaal, dass Pistorius erst bei der Verlesung der Anklage richtig klar geworden sein könnte, …


… dass Steenkamps Tod nicht einfach nur ein schrecklicher Alptraum, sondern bittere Realität ist.


Nur mit großer Mühe konnte er bei den verschiedenen Schritten der Beweisaufnahme die Fassung bewahren.


Möglichst regungslos versuchte der frühere Sprintstar, die oft sehr detaillierten Aussagen zu verfolgen.


Aber er konnte die Schilderungen kaum ertragen.


Immer wieder brach er, von seinen Emotionen überwältigt, zusammen.


Schon bei der Aussage des Pathologen Gert Saayman, der Details aus dem Autopsiebericht vortrug, war es um Pistorius’ Haltung geschehen.


Er würgte, übergab sich mehrmals in eine Plastikschüssel, schluchzte herzzerreißend und schnappte so heftig nach Luft, dass er Schluckauf bekam.


Auch als die Bilder vom blutigen Tatort im Gerichtssaal gezeigt wurden, musste sich Pistorius im Gerichtssaal übergeben.


Bei den Vorführungen mit einem Nachbau des Badezimmers schluchzte er immer wieder auf.


Von den Schilderungen der Ermittler und Zeugen blieben auch andere Zuhörer im Gericht nicht unberührt, rechts im Bild Pistorius’ Bruder Carl.


Steenkamps Mutter June verfolgte die meisten Schilderungen mit versteinerter Miene.


Sie hat Pistorius nie bezichtigt, willentlich ihre Tochter getötet zu haben – aber die gramgebeugte Frau hat auch nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie dem Sportidol schon immer misstraute.


Mehrfach musste die Verhandlung unterbrochen werden, damit sich der Angeklagte wieder beruhigen konnte.


Der grüne Eimer an Pistorius’ Platz war längst zum festen Requisit der Verhandlung geworden.


Der früher so selbstbewusste Profisportler, hier mit seiner Schwester Aimee, beschrieb sich selbst in seiner Aussage als psychisches Wrack mit nächtlichen Angstzuständen.


Seit der Tragödie nehme er Antidepressiva, habe schlaflose Nächte.


“Ich habe zu viel Angst, um zu schlafen, habe schreckliche Alpträume über die Dinge, die in jener Nacht geschahen. Ich rieche Blut und wache entsetzt auf.”


Pistorius präsentierte sich als Zeuge häufig als ein Häufchen Elend.


Seine Stimme klang meist ängstlich, war oft brüchig und zitterte, immer wieder musste er weinen.


Aufgewühlt und weinend hatte er sich bei Familie und Freunden von Steenkamp entschuldigt.


Seine Familie versuchte immer wieder, ihm beizustehen.


Neben seinen Geschwistern waren auch Pistorius’ Tante und Onkel häufig im Gerichtssaal.


Bei ihnen wohnt Pistorius seit der Tat.


Sein eigenes Haus hat er verkauft.


Mit dem Erlös will er unter anderem seine Anwälte bezahlen.


Pistorius ließ sich von dem erfahrenen Staranwalt Barry Roux vertreten.


Der galt zunächst als Ass, doch im Laufe des Prozesses kamen Zweifel an Roux’ Strategie auf.


Spätestens als sich Pistorius psychiatrisch begutachten lassen musste, weil eine Zeugin der Verteidigung von einer Angststörung sprach, wurde die Kritik an Roux unüberhörbar.


Am Ende wurde Pistorius’ Schuldfähigkeit festgestellt, eine Angststörung hingegen ausgeschlossen.


In den Plädoyers prallten Staatsanwaltschaft und Verteidigung mit ihren jeweiligen Thesen noch einmal aufeinander.


Danach war es an Richterin Thokozile Masipa, zu einem Urteilsspruch zu kommen.


Am Ende sprach sie Pistorius in zwei Anklagepunkten schuldig: der fahrlässigen Tötung und des fahrlässigen Schusswaffengebrauchs in der Öffentlichkeit, in einem Restaurant.


Nicht schuldig wurde Pistorius jedoch im Anklagepunkt “Vorsätzlicher Mord” gesprochen.


Das Strafmaß wird erst in vier bis sechs Wochen bekannt gegeben.


Pistorius drohen mehrere Jahre Gefängnis, der 27-Jährige könnte aber auch mit einer Geldstrafe oder gemeinütziger Arbeit davonkommen.


Außerdem könnte Pistorius noch auf Schadenersatz verklagt werden.


Steenkamp hatte ihre Eltern finanziell unterstützt, seit dem Tod der Tochter sollen sie Geldprobleme haben.




n-tv.de – Bilderserien



Schuldig der fahrlässigen Tötung: Oscar Pistorius - Der gefallene Superstar

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