Thursday, September 4, 2014

Ukraine-Reportage: Angst in Mariupol vor Separatisten-Angriff


Stand: 04.09.2014 09:06 Uhr


Anfangs gab es in der ostukrainischen Stadt Mariupol noch Sympathien für die pro-russischen Kämpfer. Doch mittlerweile hat sich die Stimmung gewendet. In der Stadt wächst nun die Angst vor einem Angriff der Separatisten.


Von Henryk Jarczyk, ARD-Hörfunkstudio Warschau, zzt. Dnipropetrowsk


Je näher man der Hafenstadt Mariupol kommt, umso spürbarer wird die Spannung. Truppentransporte sind unterwegs, ganze Kolonnen von Versorgungsfahrzeugen. Hier und da stehen Panzer, mehr oder weniger gut versteckt zwischen den Maisfeldern. Dazwischen immer wieder Mannschaftswagen. Es gilt offenbar, unbedingt Präsenz zu zeigen.


Wer in die Stadt im Osten der Ukraine gelangen will, muss etliche Checkpoints passieren. Die ersten liegen rund 100 Kilometer von der Stadt entfernt auf dem Weg nach Dnipropetrowsk. Den größten Posten hat die Armee unmittelbar am Stadtrand eingerichtet. Die Soldaten stehen breitbeinig mit ihren AK-47 im Anschlag zwischen den meterhohen Panzersperren und den mit Sandsäcken und panzerbrechenden Waffen bestückten Schießständen.


Durchhalteparolen des Gouverneurs


Diesmal wolle man nichts dem Zufall überlassen, betont der für die Region verantwortliche Gouverneur Serhiej Taruta: “Glauben Sie mir, wir haben die Situation in Mariupol im Griff. Wir wissen, dass Mariupol das nächste Ziel der Separatisten ist. Einige haben das Gefühl, dass die Stadt keine Kraft hat, um Widerstand zu leisten – aber das ist absolut falsch.”


Die Worte klingen wie Durchhalteparolen eines Getriebenen. Das letzte Mal, als Taruta ähnliche Sätze formulierte – damals allerdings in Donezk -, dauerte es nur wenige Tage und die Separatisten hatten die Stadt unter ihre Kontrolle gebracht.


Angst in der Bevölkerung


Dementsprechend skeptisch, meint die ortskundige Journalistin Tatjana, reagiere nunmehr auch die Bevölkerung in Mariupol: “Rein äußerlich sieht alles sehr gut aus. Doch tief im Innern haben die Menschen Angst. Vor allem, seit dem sie gehört haben, dass sich in unmittelbarer Nachbarschaft russische Panzer befinden sollen. Sie fürchten, dass die Stadt von den Separatisten eingekesselt werden könnte. All das gibt uns natürlich kein Gefühl der Ruhe.”


Niemand, selbst der Gouverneur nicht, will gänzlich ausschließen, dass die Stadt von den Separatisten am Ende doch erobert werden könnte. Alles hänge davon ab, sagt Taruta, ob sich Russland an dem eventuellen Angriff beteilige.


Keine Unterstützung mehr für Separatisten


Doch mit Blumen, meint der Leiter einer Zivilschutztruppe, würden die Separatisten in Mariupol mit Sicherheit von niemanden empfangen werden: “Anfangs da gab es eine Unterstützung für die Separatisten”, erzählt der Mann. “Im Frühsommer hatten sie hier zwei Monate lang das Sagen. Aber die Menschen haben gesehen, wozu das führt: Banküberfälle am helllichten Tag und zahlreiche andere Verbrechen. Diese Zeit wünscht sich in Mariupol niemand mehr. Man hat uns von den Separatisten befreit und wir möchten mit ihnen nichts zu tun haben.”


Sätze wie diese sind in Mariupol oft zu hören. Ob sich die Wünsche allerdings mit der Realität decken lassen, steht auf einem ganz anderen Blatt. Auch deshalb ist unser Taxifahrer Jewgeni ziemlich froh, als wir in den frühen Morgenstunden wieder Dnipropetrowsk erreichen. Bis hierher, sagt der 30-jährige Taxifahrer, würden die Separatisten mit Sicherheit nicht gelangen. Wenn es der russische Präsident Putin denn so wolle, fügt er leise hinzu.




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