Donnerstag, 11. September 2014
Dass Audi “Vorsprung durch Technik” darstelle, wollten zuletzt immer weniger Fachleute glauben. Jetzt besteht die Chance, erneut Vertrauen in den Wahrheitsgehalt dieses Marketing-Slogans zu gewinnen: Im neuen Modell TT ist erstmals ein sogenanntes virtuelles Cockpit verwirklicht.
Auch wenn er längst nicht mehr in Diensten Audis steht: Der Designer Peter Schreyer ist dafür verantwortlich, dass der TT zu dem kultigen Kompakt-Sportler wurde, als der er auch 16 Jahre nach seinem ersten Auftritt immer noch gilt. Um Zweckmäßigkeit geht es auch bei dem aktuellen, 4,18 Meter langen Modell nicht in erster Linie, sondern um schickes Aussehen und sportliche Ambitionen und um Abgrenzung vom Gewöhnlichen. Letzteres diesmal vor allem in einem Bereich, der von außen nicht zu erkennen ist.
Natürlich besteht dieses neue Cockpit nicht virtuell – also nur gedacht, scheinbar, wie Langenscheidt die Vokabel übersetzt – sondern real und zwar dort, wo man es vermutet. Nur eben nicht in Gestalt analoger Rundinstrumente, sondern in Form eines 12,3 Zoll großen TFT-Bildschirms, der unter der haubenförmigen Abdeckung sitzt. Darauf können Tacho, Drehzahlmesser, Tankanzeige, Navigation, Verkehrszeichen, das persönliche Adressbuch oder der Inhalt der Musikbox dargestellt werden – je nachdem, welche Informationen der Fahrer oder die Fahrerin gerne suchen. Die Chance, dass eine Frau hinterm Lenkrad sitzt, ist beim TT durchaus hoch, beim Roadster waren es zuletzt 50 Prozent der Kunden.
Hoher Wiedererkennungswert
Bekanntlich sieht Audi Konnektivität und mobile Dienste als ein zentrales Entwicklungsziel für seine fahrenden Produkte an. Immerhin ist es mit der neuen digitalen Cockpit-Architektur gelungen, nicht nur die Fachpresse aus dem automotiven Bereich auf den Plan zu rufen, auch Computer-Zeitschriften handeln das “virtuelle” Cockpit in Besprechungen ab. Äußerlich wirkt der Audi TT hingegen kaum verändert. Schließlich bastelt man nicht ungestraft an der Design-Ikone eines Peter Schreyer herum.
Und doch ist einiges anders, denn der TT ist nun ebenso wie zum Beispiel der VW Golf oder der Seat Leon Teil des modularen Querbaukastens (MQB) des Volkswagen-Konzerns. Diesem Standardplan ist es zu verdanken, dass der Radstand um stolze 37 Millimeter wuchs. Zwar ist der TT damit noch immer kein wirklicher Viersitzer geworden, doch für Kurztrips unter der flachen Dachhaube ist ein wenig mehr Platz gewonnen und der Kofferraum wuchs auf immerhin 305 Liter. Zwischen den Parksensoren an Front und Heck ist aber fast exakt die gleiche Karosserielänge untergebracht wie ehedem. Der Wiedererkennungswert ist also gegeben, was sich vor allem an der geringen Zahl der Schaulustigen am Parkplatz der Pressepräsentation manifestierte.
Die Bauteile an der Front sind nun deutlich schärfer geschnitten und akzentuieren den Single-Frame-Grill stärker als zuvor, so dass er noch gewaltiger als beim Vorgänger wirkt. Am Heck ist eine Spoilerlippe hinzu gekommen. Ausgestellte Radhäuser, die nun bis zu 20 Zoll große Felgen aufnehmen können, sind für die Kontur eines muskulösen Athleten unabdingbar. Ohne sie wären wohl kaum weltweit mehr als eine halbe Million TTs verkauft worden. In der dritten Generation sind noch einmal rund 50 Kilogramm vom Fahrzeuggewicht abgespeckt worden, so dass der Einstiegsdiesel mit Frontantrieb kaum noch 1250 Kilogramm auf die Waage bringt und das Audi-interne Effizienz-Siegel “ultra” bekommen hat.
Außer dem neuen Zentralbildschirm mit seinen kaum überschaubaren Darstellungsvarianten sind die Klima-Ausströmer die Hingucker im Cockpit. Sie sehen nicht nur aus, als schaue man in eine Flugzeugturbine, sie vereinen auch Funktion, Bedienung und Anzeige in einem Bauteil. Im Zentrum des drehbaren Einstellknopfes werden die Stärke des Gebläses und Temperatur-Vorwahl digital dargestellt. Mit dem nach unten abgeflachten Lenkrad wird die serienmäßige Progressiv-Lenkung aktiviert, deren Übersetzung sich mit der Intensität des Lenkeinschlages ändert, die mit zunehmender Geschwindigkeit aber auch immer straffer wird. Kurvige Bergstraßen sind ein ideales Pflaster, um die Wirkungsweise mit viel Fahrvergnügen zu erleben.
Drei Motoren zur Auswahl
Die Kurven sind es aber auch, die erkennen lassen, dass nicht jede Neuerung ohne Einbußen am Gewohnten zu haben ist: Kontrollblicke auf einen Monitor an der Mittelkonsole lenken einen zwar für Sekundenbruchteile von der Straße ab, dafür ist er aber auch immer ablesbar. Beim neuen Audi-Cockpit kann es einem passieren, dass man genau dann prüfen will, ob man die richtige Abzweigung im Kreisverkehr genommen hat, wenn gerade eine Lenkradspeiche die Sicht auf die Kartengrafik versperrt. Doch wenn dem Fahrer die virtuelle Wunderwelt zur täglichen Gewohnheit geworden ist, dürfte das auch nicht mehr stören. Von seinem Elektronik-Partner Nvidia hat Audi einen Tegra-Prozessor entwickeln lassen, der für die Darstellung der Fahrinformationen rund acht Milliarden Rechenoperationen in der Sekunde leisten kann. Zwei dieser Chips sind in jedem TT verbaut.
Wenn der Handel mit dem neuen TT Ende Oktober beginnt, haben die Kunden drei Motorisierungen zur Auswahl. Der Vierzylinder-Diesel entspricht dem im Golf GTD verbauten Aggregat und leistet 184 PS. Dazu kommen zwei Benziner, jeweils zwei Liter groß mit Turbo und Direkteinspritzung, die 230 oder 310 PS abgeben. Letztere Variante heißt dann TTS. Mit diesem bissigen Kurvenräuber durch die Berge zu heizen ist ein besonderes Vergnügen, wobei sich beim Handschalter im Nu der Eindruck verfestigt, man käme auch ganz gut mit nur einer Übersetzung aus. Der dritte Gang ist eine praktische Allzweckwaffe, die dank des großen Drehmoments von 380 Newtonmetern aus langsam angerollten Abzweigungen genauso willig heraus beschleunigen lässt wie beim Wechsel auf die Überholspur der Autobahn.
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Zum Fahrgenuss leistet der Sound natürlich einen gehörigen Betrag. Dass die Audi-Akustiker ihr Fach verstehen, zeigt die Tatsache, dass ein gewöhnlicher Vierzylinder von Hause aus nicht zu den Aggregaten gehört, die für sonore Basslaute bekannt sind. Im TT wird jedes Hochdrehen und jeder Gangwechsel aber von einer herzhaften Klangkulisse begleitet, so dass selbst bei geringerem Tempo die sportliche Attitüde nicht zu kurz kommt.
Dass der TTS auf 100 Kilometer mit 7,1 Litern auskäme – so wie im NEFZ-Test errechnet – sollte man lieber nicht zu ernst nehmen. Wer das volle Potenzial an Fahrvergnügen abruft, wird sich früher oder später der 10 vor dem Komma nähern. Das dürfte jemanden, der mindestens 51.250 Euro für einen TTS ausgegeben hat, aber auch nicht weiter beeindrucken.
Quelle: n-tv.de
Design-Ikone und Kurvenräuber: Audi TT wieder "Vorsprung durch Technik"
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